Der BGH hat mit seinem Urteil vom 16. Juli 2023 – V ZR 251/21 eine wegweisende Entscheidung im Bereich Wohnungseigentum gefällt. Insbesondere für Verwalter, die mit der Herausforderung konfrontiert sind, Abrechnungen in Folger einer erfolgreicher Beschlussanfechtung zu korrigieren, bringt dieses Urteil Klarheit. Insbesondere geht es um die Forderungen aus der Jahresabrechnung und die Möglichkeit, eine bereits erhobene Zahlungsklage für erledigt zu erklären.
Leitsätze des Urteils:
WEG § 18 Abs. 2, § 28 Abs. 2
Wird ein der Jahresabrechnung zugrunde liegender Beschluss über eine von dem Gesetz oder einer Vereinbarung abweichende Kostenverteilung rechtskräftig für ungültig erklärt, ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu der Erstellung einer korrigierten Jahresabrechnung verpflichtet und kann jeder Wohnungseigentümer eine solche verlangen; über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse haben die Wohnungseigentümer auf der Grundlage der korrigierten Abrechnung neu zu beschließen (Fortführung von Senat, Urteil vom 10. Juli 2020 – V ZR 178/19, WuM 2020, 595 Rn. 23 ff.).
WEG § 28 Abs. 2; BGB § 242 D
a) Wird ein Beschluss über eine abweichende Kostenverteilung, der einer bereits beschlossenen Jahresabrechnung zugrunde liegt, rechtskräftig für ungültig erklärt, muss die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nach Treu und Glauben von der weiteren Durchsetzung der Nachschussforderungen aus der Jahresabrechnung absehen.
b) Weil mit der Rechtskraft des Urteils, mit dem ein in der Abrechnung berücksichtigter Beschluss über eine abweichende Kostenverteilung für ungültig erklärt wird, lediglich die Durchsetzbarkeit der Nachschussforderung entfällt, müssen bis zu diesem Zeitpunkt entstandene Schäden wegen Zahlungsverzugs von einem säumigen Wohnungseigentümer ersetzt werden. Eine bereits erhobene Zahlungsklage kann die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ab diesem Zeitpunkt für erledigt erklären mit der Folge, dass die Kosten regelmäßig dem säumigen Wohnungseigentümer aufzuerlegen sind.
Der Fall vor dem BGH:
Ein Wohnungseigentümer, Inhaber eines Kegelbahn-Gebäudes, erhob Beschlussanfechtungsklage gegen die alleinige Kostenübernahme für die Dachsanierung seines Gebäudes. Während des laufenden Beschlussanfechtungsverfahrens wurde die Jahresabrechnung 2017 beschlossen, die dem Beklagten die gesamten Kosten der Dachsanierung auferlegte. Nach erfolgreicher Anfechtung des Kostenverteilungsbeschlusses wurde der Beschluss für ungültig erklärt. Die Verwalterin forderte vergeblich zur Zahlung auf und erhob schließlich Klage, die zunächst zugunsten der Gemeinschaft entschieden wurde.
Das Urteil und seine Konsequenzen:
Der BGH stellte fest, dass die Beschlussfassung über die Jahresabrechnung ordnungsmäßiger Verwaltung entsprach, da der Kostenverteilungsbeschluss zu diesem Zeitpunkt noch nicht rechtskräftig für ungültig erklärt wurde. Der Wohnungseigentümer durfte den Ausgang des Beschlussanfechtungsverfahrens abwarten. Nach der Bestandskraft des Beschlusses über die Jahresabrechnung besteht nun jedoch ein Anspruch auf erneute Beschlussfassung.
Die Bedeutung für die Immobilienbranche:
Mit der WEG-Reform ab Dezember 2020 wurde der Anspruch auf eine neue oder korrigierte Abrechnung gegen die Gemeinschaft eingeführt. Der Beschluss der Wohnungseigentümer beinhaltet die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der Vorschüsse. Die Verantwortung für die Erstellung der korrigierten Abrechnung liegt beim Verwalter. Nur Kosten, die auf dem für ungültig erklärten Umlageschlüssel basieren, sind abweichend zu verteilen.
Konsequenzen für den Verkauf von Wohnungseigentum:
Im Falle einer Veräußerung können durch eine korrigierte Jahresabrechnung und einen abändernden Beschluss Rückforderungen für vergangene Kalenderjahre entstehen. Diese sollten bei Veräußerungen vertraglich geregelt werden. Die Gemeinschaft sollte jedoch von der weiteren Durchsetzung von Nachschussforderungen aus der ursprünglichen Jahresabrechnung absehen, und eine bereits erhobene Zahlungsklage kann für erledigt erklärt werden.
Fazit:
Das BGH-Urteil vom 16. Juli 2023 schafft Klarheit im Bereich der Rückabwicklung von Wohnungseigentum nach erfolgreicher Beschlussanfechtung. WEG-Verwalter sollten die Konsequenzen für laufende Beschlussanfechtungsverfahren im Auge behalten und gegebenenfalls eine erneute Beschlussfassung über die Jahresabrechnung initiieren.