• BGH: In der Berufung sind Widersprüche zu würdigen

    Der Bun­des­ge­richts­hof (BGH) hat am 8. August 2023 einen Beschluss gefasst, dass Wider­sprü­che in der Beru­fung, zu wür­di­gen sind. In dem Rechts­streit VIII ZR 20/23 ging es um die Prü­fungs­kom­pe­tenz des Beru­fungs­ge­richts bezüg­lich der erst­in­stanz­li­chen Tat­sa­chen­fest­stel­lung. Die­ser Arti­kel beleuch­tet den Beschluss, sei­ne Aus­wir­kun­gen und die Bedeu­tung für die Immobilienbranche. 

    Der Fall:

    In dem vor­lie­gen­den Fall strit­ten die Par­tei­en dar­über, ob die gel­tend gemach­te Eigen­be­darfs­kün­di­gung rech­tens war. Die Klä­ge­rin beab­sich­tig­te, das Miet­ob­jekt für sich und ihre Fami­li­en­an­ge­hö­ri­gen zu nut­zen. Kon­kret plan­te sie, das Neben­haus zu bezie­hen, wäh­rend ihr Sohn das Haupt­haus bewoh­nen soll­te, und ein ande­rer Sohn einen Teil des Hau­ses als Zweit­wohn­sitz nut­zen woll­te. Die Beklag­ten wider­spra­chen der Kün­di­gung gemäß § 574 BGB und mach­ten gel­tend, dass die Kün­di­gung unbe­rech­tigt sei.

    Das Urteil des Bun­des­ge­richts­hofs betont die Bedeu­tung einer sorg­fäl­ti­gen Prü­fung der Tat­sa­chen­fest­stel­lun­gen in sol­chen Fäl­len und unter­streicht, dass Beru­fungs­ge­rich­te die Mög­lich­keit haben, Tat­sa­chen­fest­stel­lun­gen zu über­prü­fen, wenn kon­kre­te Anhalts­punk­te für Feh­ler oder Unvoll­stän­dig­kei­ten vor­lie­gen. Hier die vor kur­zem noch bestehen­de Ver­kaufs­ab­sicht der Eigentümerin.

    Der Beschluss VIII ZR 20/23:

    Am 8. August 2023 hat der VIII. Zivil­se­nat des Bun­des­ge­richts­hofs die Ent­schei­dung getrof­fen, der Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de der Beklag­ten in einem Rechts­streit gegen das Urteil des Land­ge­richts Mün­chen II zuzu­las­sen und das Ver­fah­ren an eine ande­re Kam­mer das Land­ge­richts zurückzuverweisen.

    Die Bedeutung des Beschlusses:

    Der Beschluss VIII ZR 20/23 wirft ein Schlag­licht auf die Prü­fungs­kom­pe­tenz des Beru­fungs­ge­richts hin­sicht­lich der erst­in­stanz­li­chen Tat­sa­chen­fest­stel­lung. Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Beru­fungs­ge­richt grund­sätz­lich an die Tat­sa­chen­fest­stel­lun­gen des ers­ten Rechts­zugs gebun­den. Die­se Bin­dung kann jedoch auf­ge­ho­ben wer­den, wenn kon­kre­te Anhalts­punk­te Zwei­fel an der Rich­tig­keit oder Voll­stän­dig­keit der erst­in­stanz­li­chen Fest­stel­lun­gen begründen.

    Die Konkreten Anhaltspunkte:

    Kon­kre­te Anhalts­punk­te kön­nen sich aus dem Vor­trag der Par­tei­en erge­ben, auch in der Beru­fungs­in­stanz. Die Prü­fungs­kom­pe­tenz des Beru­fungs­ge­richts ist nicht auf rei­ne Rechts­kon­trol­le beschränkt, son­dern umfasst auch eine zwei­te Tat­sa­chen­in­stanz. Das Beru­fungs­ge­richt ist dazu ver­pflich­tet, eine “feh­ler­freie und über­zeu­gen­de” Ent­schei­dung zu tref­fen. Das bedeu­tet, dass es nicht nur Rechts­feh­ler prüft, son­dern auch ver­fah­rens­feh­ler­frei getrof­fe­ne Tat­sa­chen­fest­stel­lun­gen auf Rich­tig­keit und Voll­stän­dig­keit hin über­prü­fen muss.

    Die Entscheidung des BGH:

    Im vor­lie­gen­den Fall wur­de ent­schie­den, dass das Beru­fungs­ge­richt den Anspruch der Beklag­ten auf Gewäh­rung recht­li­chen Gehörs ver­letzt hat, da es den Prü­fungs­maß­stab der Vor­schrift des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO und sei­ne dar­aus fol­gen­de Prü­fungs­kom­pe­tenz grund­le­gend ver­kannt hat. Die Ent­schei­dung wur­de auf­ge­ho­ben, und der Rechts­streit wird zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Beru­fungs­ge­richt zurückverwiesen.

    (BGH Beschluss v. 8.8.2023 Az. VIII ZR 20/23)