Im Oktober 2024 entschied der Bundesgerichtshof (BGH) über einen Streitfall, der die Grenzen baulicher Veränderungen in einer Wohnungseigentümerversammlung thematisiert. Im Zentrum des Falls stand ein Gedenkstein, der in einem gemeinschaftlich genutzten Ziergarten einer Wohnanlage aufgestellt wurde.
Hintergründe
Die Wohnanlage verfügt über einen gemeinschaftlichen Garten, der laut Gemeinschaftsordnung als Ziergarten angelegt ist. Dieser dient der Schönheit des Hausgrundstücks sowie der Erholung und Ruhe der Bewohner und Gäste. Im Jahr 2022 beschloss die Eigentümerversammlung, einen künstlerisch gestalteten Gedenkstein für einen verstorbenen ehemaligen Bewohner und Oberbürgermeister der Stadt im hinteren Bereich des Gartens aufzustellen.
Der Stein, 1,20 Meter hoch und 90 Zentimeter breit, war ursprünglich ein umgestalteter Grabstein. Eine Wohnungseigentümerin klagte gegen diesen Beschluss, da sie der Ansicht war, dass die bauliche Veränderung den Charakter des Gartens verändere und eine unbillige Benachteiligung für sie darstelle.
Worüber wurde gestritten?
Der Hauptstreitpunkt lag in der Frage, ob der Gedenkstein eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage darstellt und ob dies mit den Vorgaben der Gemeinschaftsordnung vereinbar ist. Die Klägerin argumentierte, dass der Gedenkstein aufgrund seiner Ähnlichkeit zu einem Grabstein einen “friedhofsähnlichen” Gesamteindruck erzeuge, insbesondere vor dem Hintergrund der benachbarten Kirche, die aus ihrem Wohnbereich sichtbar ist.
Weiterhin machte die Klägerin geltend, dass sie durch die bauliche Veränderung unbillig benachteiligt werde, da der Stein ihren persönlichen Geschmack und ihre persönliche Lebenssituation beeinträchtige.
Urteil des Gerichts
Der BGH wies die Revision der Klägerin ab und bestätigte das Urteil des Berufungsgerichts. Das Gericht entschied, dass die Aufstellung des Gedenksteins keine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage im Sinne von § 20 Abs. 4 WEG darstellt. Zudem liege keine unbillige Benachteiligung der Klägerin vor.
Begründung des Urteils
Das Gericht stellte fest, dass bauliche Veränderungen, die mit spezifischen Vorgaben der Gemeinschaftsordnung vereinbar sind, keine grundlegende Umgestaltung darstellen. Die Gemeinschaftsordnung definierte den Garten als Ziergarten, der der Schönheit und Erholung dienen soll. Laut BGH können Skulpturen und künstlerische Elemente, wie der Gedenkstein, grundsätzlich Bestandteil eines Ziergartens sein.
Zudem urteilte der BGH, dass der Gedenkstein aufgrund seiner geringen Größe im Verhältnis zur Gesamtfläche des Gartens keinen erheblichen Einfluss auf das Erscheinungsbild und die Nutzung des Gartens hat. Auch die subjektive Ablehnung der Klägerin reichte nicht aus, um eine unbillige Benachteiligung zu begründen. Entscheidend sei eine objektive Sichtweise, bei der persönliche Empfindungen der einzelnen Eigentümer nicht im Vordergrund stehen dürfen.
Bedeutung für die Zukunft
Das Urteil verdeutlicht die rechtlichen Grenzen bei baulichen Veränderungen in Wohnanlagen. Es stellt klar, dass maßgeblich die Vereinbarkeit mit der Gemeinschaftsordnung ist. Eine bauliche Veränderung, die sich im Rahmen der definierten Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums bewegt, muss von den Eigentümern hingenommen werden.
Für Eigentümer und Hausverwaltungen bedeutet dies, dass klare Regelungen in der Gemeinschaftsordnung Konflikte minimieren können. Zudem zeigt das Urteil, dass persönliche Meinungen einzelner Eigentümer bei der Bewertung von baulichen Veränderungen nicht entscheidend sind, sofern objektive Kriterien eingehalten werden.
Das BGH-Urteil setzt wichtige Maßstäbe für künftige Entscheidungen im Bereich des Wohnungseigentumsrechts. Es betont die Bedeutung der Gemeinschaftsordnung als verbindliche Grundlage und schafft Klarheit für die Beurteilung baulicher Veränderungen. Eigentümer sollten diese Leitlinien bei künftigen Entscheidungen beachten, um Konflikte zu vermeiden.